Reise in die Vergangenheit

Obwohl als ARD-Reportage über die Zukunft geplant, war es doch eine Reise in die Vergangenheit. Der Besuch auf der Kartbahn Kerpen-Manheim war in vielerlei Hinsicht bizarr. Hier, wo einst Michael und Ralf Schumacher ihre Kindheit verbrachten, Heinz-Harald Frentzen, Nick Heidfeld und Sebastian Vettel das rennfahrerische ABC lernten und Größen wie Ayrton Senna und Mika Häkkinen ihre Runden drehten, war es seltsam still. Das lag nicht nur an den morgendlichen, wolkenbruchartigen Regenfällen, die trotz aller Wucht in diesem Hitzesommer nur ein Tropfen auf dem heißen Stein waren. Das hing auch mit dem unstillbaren Hunger der Riesenbagger im nur 2 km entfernten Hambacher Tagebau zusammen. Denn die Kartbahn wird – was seit langer Zeit feststeht – im Jahr 2020 dem ökologisch fragwürdigen Braunkohletagebau zum Opfer fallen. Die Suche nach einem Ausweichquartier gestaltet sich zur einer lokalpolitischen Posse, weil Mitglieder des Rates der Stadt Kerpen alle vorgeschlagenen Lösungen torpedieren. Eine Stadt wohlgemerkt, die ohne die Schumachers und die Kartbahn wohl kaum einer außerhalb des Rheinlands kennen würde. Michael Schumacher kümmerte sich bis vor seinem tragischen Skiunfall noch intensiv um einen neuen Standort. Jetzt, ohne den namhaften Fürsprecher, will man der erfolgreichen (Motorsport-) Nachwuchsförderung still und heimlich ein Ende bereiten. Unglaublich!

Auf Schritt und Tritt spürt man die Historie in Manheim, nicht nur auf den Bildern in der Gaststätte, die einst Schumachers Mutter Elisabeth betrieben hatte. Aber dieses Déjà-vu  hatte ich schon zwei Monate zuvor, als anlässlich der Eröffnung der „Motorworld Köln“ auch die „Private Collection“ von Michael vorgestellt wurde: 16 legendäre Autos, 50 Trophäen und 25 Helme. Die meisten davon habe ich selbst im Einsatz gesehen während meiner Zeit als Formel-1-Reporter von 1991 – 2006. Die Vergangenheit wurde wieder lebendig!

Kurioserweise trifft das auch auf eine andere, als abgeschlossen betrachtete Herzensangelegenheit zu: parallel zum Motorsport habe ich früher (als ehemaliger Aktiver) von unzähligen Welt- und Europameisterschaften sowie olympischen Spielen im Kunstturnen berichtet. Anlässlich der European Championships in Glasgow durfte ich für Eurosport wieder stundenlang neue Turner und neue Übungen kommentieren. Geschichte wiederholt sich nicht, aber was gibt es Schöneres, wenn man Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft miteinander verbinden kann? Genauso fühlte es sich an diesem verregneten Morgen auf der Kartbahn in Kerpen-Manheim. Vielleicht stoppt der Braunkohlentagebau (politisch bedingt) ja doch noch eines Tages vor der Zufahrt der ehemaligen Kiesgrube Steinheide. Zumindest wurde vorausschauend ein Rückabwicklungsrecht des Kaufvertrages bis zum Jahr 2022 vereinbart. Wie heißt es im Motorsport so schön: it´s not over until it´s over!

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