25 Jahre „Brisant“

Zugegeben, „ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Schritt für die Menschheit“ waren weitaus bedeutendere Premieren-Worte als „herzlich Willkommen zu Brisant, dem neuen Boulevard-Magazin der ARD“. Nichtsdestotrotz werde ich derzeit immer wieder darauf angesprochen, kam letzteres Zitat doch vor genau 25 Jahren aus meinem Mund.

Auch wenn ich mit der Welt von Glitzer und Glamour überhaupt nichts am Hut habe und hatte, so stellt „Brisant“ doch einen bedeutenden Meilenstein in meinem Leben dar. Als junger, moderierender Sportredakteur bekam ich vom mdr die Chance, mich über ein Casting für diese neue, (für ARD-Maßstäbe) revolutionäre Sendung zu empfehlen. Nach kurzer Vorlaufzeit gingen wir am 3.1.1994 erstmals auf Sendung. Produziert wurde im ehemaligen DEFA-Trickfilmstudio in Dresden-Gorbitz (der Heimat des DDR-Sandmännchens) – äußerst kritisch beäugt von den ARD-Oberen. Schließlich passte Boulevard so gar nicht zum seriösen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es war ein echter Drahtseilakt. Bis die steigenden Quoten die Bedenken verschwinden ließen, gehörte Desinfektionsspray wahrscheinlich zur Grundausstattung in manchen Funkhäusern im Zusammenhang mit „Brisant“.  Doch wider Erwarten wurde die Sendung rund um das Maskottchen „Wuschel“ von Zuschauern und Kritikern nicht zerrissen. Kaum eine Zeitung in Deutschland, in der nicht ausführlich über die Premiere berichtet wurde (AZ: „Moderator Andreas Spellig im smarten Streifenhemd mit Weste ganz der souveräne Locker-Yuppie: Was will man mehr. Am ranzigen Nachmittagsangebot der Privaten gemessen: Echt brisant.“) und selbst überregionale Größen wie FAZ oder SZ  spendeten Lob.

Wenn man sich mal die Zeit nimmt, vergangene mit gegenwärtigen Sendungen zu vergleichen, so springen einem die Unterschiede förmlich ins Gesicht. Damals durfte man noch alles live ausprobieren –  Steptanzen, auf Kloschüsseln moderieren, Halbe (mit echtem Bier) auf Ex austrinken, und, und, und…

Und in jeder Sendung war ein Promi zu Gast im Studio – und nur in den seltensten Fällen jemand aus dem Alphabet hinter den ersten beiden Buchstaben. Echte Größen wie z.B. Peter Ustinov, Armin Müller-Stahl, Katarina Witt, Jose Carreras, Gloria Gaynor, Harald Juhnke, Elke Sommer, Iris Berben, Pierre Brice.

Das war tagtäglich Gänsehaut pur. Heutzutage ist die Sendung eine reine Ansagesendung mit festen Moderationspositionen. Und überhaupt – manche Fernsehmoderatoren – egal ob privat oder öffentlich-rechtlich – glauben mittlerweile, mindestens genauso bedeutend zu sein, wie die echten Promis, über die sie berichten. Sei´s drum!

Es gibt viele kuriose Situationen, an die ich mich erinnere – beispielsweise, wie ich an einem Wochenende nach einem „Kunstsprung“ im Freibad mit dem Gesicht auf dem Wasser aufschlug, das Gesicht innerhalb Sekunden wie ein Kürbis aufgedunsen war und die Maskenbildnerin am darauffolgenden Montag eine gefühlte Ewigkeit brauchte, um aus dem Brei noch so etwas wie ein Gesicht zu formen. Für den Rest der Woche bekam ich übrigens Moderationsverbot. Oder wie ein professionelles Stunt-Team der Redaktion anbot, den legendären James-Bond-Sprung aus dem Film „Goldeneye“ nachzuspringen – auf der Verzasca-Staumauer im schweizerischen Tessin. Nach dem James-Bond-Stuntman und dem Bungee-Profi war ich der 3.Mensch auf der Welt, der sich die Weltrekordhöhe von 220m hinabstürzen durfte – mit einer festgebundenen Kamera am Bein und beäugt von zwei weiteren Kameras außerhalb. Wer kann da schon Nein sagen?!?

Über 180mal habe ich „Brisant“ präsentiert, ehe ich nach den olympischen Sommerspielen 1996 in Atlanta (ich war ja „hauptberuflich“ immer noch Sportreporter und habe beispielsweise Michael Schumacher auf allen Rennstrecken dieser Welt begleitet) den mdr Richtung Süddeutscher Rundfunk verließ. Wie immer, wenn ich etwas hinter mir gelassen habe, habe ich auch mit dem Boulevard schnell abgeschlossen. Nichtsdestotrotz: es war eine aufregende und interessante Zeit. Und ganz ehrlich: „Brisant“ ist bereits 25 Jahre alt? Ich fühle mich noch immer genauso jung und fit wie damals…

1 Comment

  1. Sehr lange her Und am Abend ging es ins Fun. Sicherlich auch ein Grund warum die Maskenbildnerin das ein oder andere Mal gut zu tun hatte. Die Zukunft war damals meine Sehnsucht, so wie heute die Vergangenheit mein Heimweh ist.

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